Samstag, 22. März 2008

optimale Strategie bei Poker Turnieren

Turnierstrategie

1989 löste ein 24-jähriger den legendären Stu "The Kid" Unger als jüngsten WSOP-Main-Event-Gewinner ab: die Rede ist natürlich vom etwas cholerischen und aufbrausenden Phil Hellmuth. Bis heute einer der besten Turnierspieler ist er auch der erfolgreichste Spieler der World Series of Poker:
- jüngster Gewinner des Main-Events
- die meisten Bracelets (11 Braceletes)
- am öftesten in den Preisrängen


Diese erfolgreiche Bilanz zeigt, dass es auch im Turnierpoker Strategien geben muss, mit deren Hilfe man sich Vorteile gegenüber "der Masse" schaffen kann. In der folgenden Artikelserie sollen einige dieser Strategien näher beleuchtet werden, egal ob es sich um Internetpoker oder Livepoker handelt. Sehr viele Dinge sind allgemein gültig und können auf verschiedene Pokervarianten bezogen werden, jedoch steht Texas Holdem No Limit im Vordergrund. Vorweg möchte ich mich für die zahlreichen englischen Ausdrücke entschuldigen, diese einzudeutschen halte ich aber für wenig sinnvoll.



Gibt es eine Grundstrategie?

Überleben – Überleben – Überleben

UTG+1 raised und wir callen am Button mit KJo . Flop bringt KQ5r . UTG+1 macht eine Continuation-Bet und wir callen. Turn bringt eine 6 die das Board nicht sonderlich verändert. UTG+1 bettet nocheinmal und wir callen wieder. River bringt eine 2. UTG+1 setzt uns All-in, wir callen. Er zeigt KQ, wir stehen auf und flüchten an die Bar. Ich möchte hier nicht darauf eingehen wie man die Hand hätte besser spielen sollen oder ob man die Hand hätte überhaupt spielen sollen. Ich möchte lediglich damit zeigen, dass man sobald man eine Hand spielt Gefahr droht aus dem Turnier auszuscheiden.

Besonders in der ersten Turnierphase sollte man unnötiges Risiko vermeiden. Sobald sich das Feld verkleinert und die Blinds steigen wird man sowieso nicht darum herumkommen Risiken einzugehen (Bluffs, Coinflips, ...).


In order to live, you must be willing to die! (Amir Vahedi)

Es nützt auch nichts möglichst lange überleben zu wollen und dementsprechend passiv zu spielen um dann von den immer höher werdenden Blinds und Antes erdrückt zu werden. Um überleben zu können muss man Chips akkumulieren und das bedeutet Risiken einzugehen, auch wenn es das Turnier kosten könnte. Überleben ist das Ziel, aber um überleben zu können muss man bereit sein "zu sterben".

Bsp.:
- Semibluff All-in Raise mit Draw am Flop oder Turn
- Preflop resteal All-in-Raise aus den Blinds gegen CO- oder BU-Opener
- Shortstacked preflop All-in mit semischwacher Hand von später Position



Spiele auf Sieg

In die Preisränge zu kommen ist natürlich schon ein Erfolg, aber das große Geld gibt es nur auf den vorderen Plätzen.

Bsp.:
Pokerstars Sunday Million
Buy-in: 500+30$
3000 Teilnehmer
480 Plätze bezahlt
480ter: 600$
100ter: 2.100$
9ter: 12.000$
1ter: 260.000$

Viele Spieler bemühen sich vor allem in die Preisränge zu kommen und spielen dementsprechend passiv. Das gelingt dann zwar auch relativ häufig, jedoch haben sie dann in der Regel sehr wenig Chips und es bleibt sehr wenig Raum. Ein verlorener Coinflip, ein Bad Beat oder einfach nur die hohen Blinds reichen aus um sie aus dem Turnier zu befördern. Ziel wäre es so viele Chips anzusammeln, sodass man kalkulierte Risiken eingehen kann ohne gleich aus dem Turnier auszuscheiden.

Bsp.: Wir halten AK und raisen aus mittlerer Position. Der Button reraised All-in und mit AK ist das für uns in der Regel ein klarer Call mit oftmals einem Coinflip gegen JJ,QQ, ... Mit wenigen Chips steht hier unser Turnierleben auf dem Spiel und wir legen es in die Hand der meist unbarmherzigen Pokergötter. Mit einem größeren Chipstack suchen wir nach solchen Situationen, da wir nicht befürchten müssen aus dem Turnier auszuscheiden und wir hier weiter Chips einsammeln können und müssen.

Wenn wir uns die oben angeführte Preisstruktur betrachten sehen wir, dass diese besonders auf den vorderen Plätzen stark exponentiell ansteigt. Ob ich als 300ter ausscheide oder als 80ter macht finanziell "keinen" großen Unterschied. Ob ich aber 9ter werde oder das Turnier gewinne macht einen enormen Unterschied. Dahin werde ich aber nur kommen wenn ich aggressiv spiele und selektive (nicht dumme) Risiken eingehe.



Worauf sollte ich achten?

Geduld, Selbstdisziplin und Fokus

"Verdammt, schon wieder 83o ausgeteilt bekommen! Langsam verliere ich die Geduld. Außerdem wird das ganze ziemlich langweilig."

Wer hat diesen Gedanken nicht schon einmal gehabt. Es gibt einfach Phasen, wo die Karten nicht so kommen wie wir es uns wünschen. Hier gilt es selbstdiszipliniert und geduldig zu sein. Selbstdisziplin ist eine äußerst wichtige Tugend beim Poker. Während solcher Situationen haben wir aber auch genügend Zeit unsere Gegner zu beobachten. Nur weil wir nicht in die Hand involviert sind, bedeutet das nicht, dass wir nicht nützliche Informationen gewinnen können. Besonders die Spielweise der Spieler unmittelbar zu unserer Rechten und zu unserer Linken solltest wir näher "studieren", da wir mit diesen am öftesten in Hände verwickelt sein werden.


Informationen denen wir Beachtung schenken sollten:

Wie viele Hände spielen meine Gegner?
Spielen sie aggressiv oder eher passiv (Raiser oder Caller)?
Welche Hände kommen zum Showdown? Wie spielen sie einen Draw? Wie spielen sie Top Pair? ...
Wie reagieren sie auf einen Re-Raise? Geben sie leicht auf oder callen sie sehr loose?

Also beobachte deine Gegner! Auch beim Online-Poker ist es verführerisch nebenbei fernzusehen, zu chatten, Mails zu checken ... So gehen dir jedoch wertvolle Informationen verloren.


Anpassungsfähigkeit

Je genauer du den Tisch beobachtest, desto besser kannst du dich an den Spielstil deiner Mitspieler anpassen. Du solltest aber auch auf besondere Situationen achtgeben bzw. den "Float" im Spiel sehr genau beobachten.

Hat ein Mitspieler soeben einen großen Pot gewonnen?
Wurde ein Mitspieler bei einem großen Bluff erwischt?
Ist ein neuer Spieler am Tisch?
Wann werden die Blinds erhöht?
Befinden wir uns in der "Bubble" (kurz vor den Geldrängen)?
Wann beginnt die Pause?


Selektive Aggression

Wie bereits erwähnt ist eine aggressive Spielweise sehr wichtig. Aggressiv bedeutet aber nicht jeden Pot zu bluffen sondern wirklich selektiv vorzugehen. Viele Spieler verfolgen die Taktik besonders jene Spieler mit wenigen Chips anzugreifen. Im ersten Moment klingt das einleuchtend. Bei näherer Überlegung jedoch sind gerade dies die Spieler die sich am ehesten auf ein "Duell" einlassen, da sie sowieso schon verzweifelt sind und ihren Stack dringend aufbessern müssen. Besser ist es die Spieler mit mittlerem Stack anzugreifen, denen wir beträchtlichen Schaden zufügen können und die es sich zweimal überlegen ob sie ihr Turnierleben in einigermaßen marginalen Situationen aufs Spiel setzen wollen, obwohl sie noch genügend Raum und Zeit hätten.


Bets / Raises

Versuche Bets und Raises so zu gestalten, dass du auf der einen Seite möglichst großen "Value" mit einer guten Hand gewinnst bzw. auf der anderen Seite möglichst effektiv Bluffen kannst. Warum soll ich in einen Pot von 1000$ mit einer 1000$ Potsizebet bluffen wenn auch 500$ das gleiche Ergebnis bringen. Die besten Turnierspieler haben ein sehr gutes Gefühl dafür entwickelt. Generell sind die Betsizes kleiner als im Cashgame da auch das Verhältnis Blinds zu Stack kleiner ist und man möglichst effektiv mit seinen Chips haushalten muss.


Kenne dein Image

Viele Spieler passen sich schlecht oder langsam bzw. nicht sehr effektiv an den Spielstil ihrer Gegner an, jedoch steht außer Frage, dass sie sich anpassen. Also sei dir immer bewusst welchen Eindruck deine Gegner von dir haben. Hast du die letzten drei Hände geraised und den Pot preflop oder am Flop ohne Showdown gewonnen, verzichte darauf T8s aus dem CO zu raisen. Je öfter du innerhalb eines kurzen Zeitraumes einen Pot ohne Showdown gewinnst desto schlechter wird dein "Table Image" und desto geringer wird deine "Fold Equity".



Die Kunst des Bluffens

Wann sollte ich nicht bluffen?

Bluffe keine schlechten Spieler die zu neugierig sind, zu viel callen und sich keine Gedanken über die Karten ihrer Gegner machen und nur ihre eigenes Blatt sehen!
Vermeide Bluffs gegen mehrere Spieler!
Vermeide es zu bluffen wenn du ein schlechtes "Table Image" hast.


Wann sollte ich bluffen?

Versuche nur zu bluffen wenn du dir sicher bist, dass dein Gegner auch dazu in der Lage ist eine Hand aufzugeben (never bluff a donk).
Spiele das Board bzw. die Hand deines Gegners. Achte darauf ob sich am Board etwas ändert, ob es gefährlicher wird (Scare Card, Flush,......).

Beispiel für einen (Semi)-Bluff:

CO raised, Hero called am Button mit 6h7h.
Flop: 8s 9s Kh
CO macht eine typische Continuation Bet.
Dieser Flop bietet ist ideal für einen Semi-Bluff Raise mit folgendem Hintergedanken:
Sehr oft wird der Pot hier gleich am Flop gewonnen. Falls CO trotz unseres raises called haben wir erstens die Chance unsere Straße am Turn zu treffen und zweitens die Möglichkeit bei einer weiteren Pik den Flush zu bluffen.
Turn: 3s
CO checks, Hero bets Pot, CO folds



Inflection Points

Dan Harington hat in seiner hervoragenden Buchserie "Harrington on Holdem" den Begriff der sogenannten "Infelction Points" im Turnierpoker eingeführt. Im Grunde genommen geht es um das Verhältnis unseres Stacks zu den momentan Blinds und Antes und die daraus resultierende geänderte Turnierstrategie. Darauf wird in einem der nächsten Artikel noch näher eingegangen. Dan Harringtons Bücher sind auf alle Fälle jedem der sich etwas näher mit Turnierpoker beschäftigen möchte ans Herz zu legen.

Bsp.:
MP raised, Hero am Button mit 4h4s

Blinds 25/50, Stack 5500: normalerweise call for set value
Blinds 200/400, Stack 4500: fold oder push all-in (niemals call)

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